Berufsverbot in der Kirche

Der „Fall Eckert“ bleibt unerledigt

Jahrzehntelang beschäftigt sich der bekannte Marburger Historiker Friedrich-Martin Balzer mit der Aufarbeitung des „Falles Eckert“, des Pfarrers und Kommunisten, dessen Nachlassverwalter er ist, dem ein Ehrenplatz in der Geschichte der Arbeiterbewegung gebührt und der widerrechtlich am 11. Dezember 1931 von einem kirchlichen Dienstgericht unehrenhaft aus dem Pfarrdienst entfernt wurde. Sein herausfordernder Eintritt in die KPD, von der SPD ausgeschlossen, am 3. Oktober 1931 war nur Vorwand und willkommener Anlass, um dem religiösen Sozialisten „endlich einen kurzen Prozeß zu machen“. 

Die gesellschaftlich-politischen Hintergründe dieses „Prozesses“, der provokante Tenor des kirchlichen Urteils, wer Christ ist kann und darf nicht Kommunist sein, die Auseinandersetzung mit der scheinheiligen Phrase, das „Christentum müsse vor dem gottlosen Marxismus gerettet werden“, das schuldhafte Versagen des deutschen Protestantismus gegenüber dem Faschismus, die politische Parallele zum KPD Verbotsurteil sowie der daraus resultierenden Berufsverbotspraxis, die Möglichkeit, dass ein Christ auch Kommunist sein kann, weil es um die politisch-humanistische Zielsetzung der Kommunistischen Partei geht sowie die Bedeutung des „Falles Eckert“ für die Bündnispolitik und die Stärkung der DKP – das alles umreißt den Gegenstand, den Balzer in seinem neuesten Buch untersucht. Er bezeichnet es zurecht als die „Krönung“ seiner Forschungen in Sachen Erwin Eckert, weil es die Ursachen und Verursacher des Skandalurteils aufdeckt.

Martin Balzer gibt uns sowohl eine ausführliche bis in die Gegenwart hineinreichende Analyse des politisch-historischen Hintergrundes für den Rufmord an Erwin Eckert als auch die sich auf mehrere Gutachten und Stellungnahmen berufende theologische und rechtliche Begründung für eine Wiederaufnahme des Dienststrafverfahrens vom 11. Dezember 1931. Diese letztgenannte Besonderheit des Buches kann gar nicht hoch genug gewertet werden, denn sie zeigt, dass Eckert für etwas mit Berufsverbot bestraft wurde, „was Aufgabe der Kirche hätte sein müssen: nämlich sich vom Ungeist des Nationalsozialismus, Militarismus, Antisemitismus und Antikommunismus frei zu machen und unversöhnlich und kompromisslos den aufsteigenden Faschismus im Namen eines unverfälschten Evangeliums zu bekämpfen.“ Eckert hat das, wie Balzer nachweist, schon sehr frühzeitig getan, denn der Faschismus kam nicht über Nacht und die Weimarer Republik war gegen links kein Reich der Glückseeligen und Friedfertigen, wie die Kirchenjustiz auch Teil der politischen Justiz war. Das hinderte ihn aber nicht, zwischen bürgerlicher Demokratie und faschistischer Diktatur zu unterscheiden. Für den Revolutionär und Reformator war der Zusammenhang zwischen Faschismus und Kapitalismus unzweifelhaft. 

Die Faschisten hielt er für das „Unglück des Volkes“, dem eine „sozialistische Einheitsfront“ entgegenzusetzen sei. Sein Bekenntnis zum Sozialismus und zur Kommunistischen Partei entsprang seinem christlichen Glauben und seiner marxistischen Sicht auf Gesellschaft und Geschichte. 

Im Lebensweg des antifaschistischen Pfarrers und seinem revolutionären Wirken, so der Autor, bündeln sich „in besonderer Weise Spannungsfelder und Entscheidungsmöglichkeiten der jüngeren deutschen Geschichte.“ Balzer beschreibt am „Fall Eckert“ zugleich den politischen Protestantismus unter dem Faschismus wie nach 1945. Er zeigt, wie es zu dem unrühmlichen Beispiel der Kirchenjustiz kam, bei dem Eckert behandelt wurde, als hätte er sich „als Sittlichkeitsverbrecher schuldig gemacht“. Die Kirche suggerierte sich als Staatskirche. Dieser „Maßstab“ änderte sich auch nach 1945 für Eckert nicht. Die Kirche blieb ihm die Rehabilitierung schuldig, mit persönlich bedeutenden finanziellen Folgen. Frühere NS Pfarrer durften ihr Amt weiter ausüben. 

Ein besonderer Vorzug des Buches ist es, dass Martin Balzer im Zusammenhang mit dem Nachweis des in jeder Beziehung unrechtmäßigen Urteils gegen Eckert begründet, dass der Eintritt in die KPD rechtmäßig war. Die Stellung zur Kommunistischen Partei, so ergibt ein Gutachten von Hanfried Müller, sei nicht von deren Atheismus her zu entscheiden, sondern von ihrer politischen Zielsetzung. Kooperationsbeziehungen zwischen Christen und Kommunisten haben nicht das Denken über Gott zum Inhalt, sondern was für Mitmenschen dabei herauskommt. So stünde auch der etwaige „atheistische“ Charakter der DKP der Mitgliedschaft eines Christen nicht im Wege, solange die Partei Christen in ihren Reihen toleriert. 

Der KPD bescheinigt Balzer, dass sie diese Toleranz aufgebracht hat. Dennoch war es für Eckert, so der Autor, „ein langer Weg voller Überlegungen und quälender Selbstbefragung“, bevor er in die KPD eintrat. Er traf seine Lebensentscheidung, betont Martin Balzer, „im Auftrag Gottes an seine Zeit.“ Für Eckert, der 1968 auch Mitglied der DKP wurde, sei das Kreuz Christi „eine unerhörte Anklage“ gegen die Faschisten gewesen. Seine Entscheidung hat er, der die Massen aufrütteln wollte, der ein echter Volkstribun war und vor einer Überschätzung der eigenen Stärke gewarnt hat, am 10. Oktober 1931 vor 10.000 Menschen in Stuttgart begründet. Ganz im Sinne seines Credos: „Dem Ganzen dienen, sich selbst treu bleiben“.

Balzer fordert in seinem leidenschaftlichen Plädoyer Wiedergutmachung und schlägt, falls es nicht zur Rehabilitation von Eckert kommen sollte, die Gründung einer „Erwin-Eckert-Stiftung“ vor, „quasi als Entschädigung für 40 Jahre entgangener Altersversorgung“. Sie soll sich dem Lebenswerk des Ausgestoßenen widmen.

Dem materialreichen Buch, das ich nur wärmstens empfehlen kann, wurden ein umfangreicher Dokumentenanhang und eine Kurzbiographie von Erwin Eckert sowie ein Namensverzeichnis beigefügt. 

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Friedrich-Martin Balzer, Berufsverbot in der Kirche, Der unerledigte Fall Erwin Eckert, PapyRossa 

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