Der 20. Juli 1944

„Wir wollen eine neue Ordnung die alle Deutschen zu Trägern des Staates macht und ihnen Recht und Gerechtigkeit verbürgt“
(Zitat Stauffenbergs bei Karl Jasper)

Der 20. Juli 1944. Das Attentat auf Hitler. Bald werden uns wieder die sattsam bekannte staatliche Erinnerungskultur mit samt ihren Experten und Spezialisten ereilen. Wir aber, wir verlassen uns da eher auf unsere Historiker und da erscheint mir die hervorragende Arbeit des Militärhistorikers Prof. Dr. Finkers „Stauffenberg und der 20. Juli“ (Union Verlag Berlin 1967)  als die bessere Aufarbeitung.

Während die Alt- und die Neu BRD  das Attentat als Anerkennung eines Aktes des militärischen Ungehorsams gegenüber einer antihumanen Staatsgewalt wertet, wird keine Gelegenheit ausgelassen, eben genau auf dieser Grundlage nämlich,  gegen die DDR und die Sowjetunion damals und heute gegen die DDR, China, Rußland und Andere, als antihumane Staatsgewalten zu wettern. Es versteht sich von selbst, eigene humanitäre Defizite haben die selbstverständlich nicht im Blick.

Dabei hatten wir es damals nicht nur mit einem Attentat sondern mit einem handfesten Staatsstreich zu tun. Federführend Wehrmachtsoffiziere unter Einbeziehung zahlreicher Zivilisten, Sozialdemokraten, Christen und Andere. 
Dabei darf nicht außer Acht bleiben, dass sich bereits 1941/1942 eine Opposition zum Faschismus unter hochrangigen Offizieren zu formen begann.

Ausschlaggebend waren die Nachrichten über die Gräueltaten gegen Zivilisten in den okkupierten Gebieten und gegen Kriegsgefangene vornehmlich der roten Armee. Die Unzufriedenheit nahm zu und der Kreis vergrößerte sich, eine wahre Meisterleistung an Konspiration. Der berühmte Kreisauer Kreis war  eine der bedeutendsten Plattformen der Verschwörer. Dort traf man sich und diskutierte die verschiedensten Themen unter anderem, wie soll es nach der Beseitigung Hitlers weitergehen.

Die Ansichten über die künftige Konstitution Deutschlands konnten unterschiedlicher nicht sein. Da war der Kreis um Carl Goerdeler (ehemaliger Oberbürgermeister von Leipzig). Der wollte die Interessen der deutschen Großbourgeoisie gewahrt wissen. Deren Vorstellungen, die NSDAP sollte erhalten bleiben. Ebenso die HJ. Ein künftiger Reichstag solle so aussehen; zwei Drittel der Abgeordneten sollten, unter anderem von Ständevertretungen, ernannt werden, ein Drittel der Abgeordneten durfte man wählen.

Die Werktätigen Massen hätten so niemals irgendwelche Mehrheiten im Reichstag.  Sofortige Verhandlungen, aber nur mit den Westmächten. Keine Entschädigungen für Kriegsschäden und Kriegsverbrechen. Die Opfer trügen schließlich Mitschuld! Die Vormachtstellung der deutschen Großbourgeoisie ist zu sichern. Nicht mit Gewalt sondern auf Basis der Freiwilligkeit müssen sich andere nationale Bourgeoisen dem deutschen Finanzkapital unterwerfen. Der Bolschewismus müsse mit Anderen als mit militärischen Mitteln bekämpft werden.

Der Kreis um Claus Schenk Graf von Stauffenberg vertrat hingegen völlig gegensätzliche Ansichten. Sofortige Verhandlungen zur Einstellung der Kampfhandlungen mit dem Westen und der Sowjetunion. Monopole gehören abgeschafft weil diese immer die Ursache von Kriegen seien (Adam von Trott zu Solz, Bedrohung des Friedens durch Monopole). Oder Theodor Stelzer – Rußland ist ein unentbehrlicher Teil Europas, Schluß mit diesem „Erzfeind“ Gerede.

Einbeziehung der Arbeiterschaft in den Aufbau eines neuen Staates.
<span;>Friedliches Zusammenleben aller Völker, einschließlich Russlands. Verstaatlichung von Schlüsselindustrien, wie zum Beispiel der Energiewirtschaft. Im Kreis Stauffenberg gab es keine Bedenken an einer Zusammenarbeit mit Kommunisten. Zwei Versuche unentdeckt die Linien der Ostfront zu überschreiten um in Moskau Kontakt zum NKFD aufzunehmen scheiterten. Die Auffassungen des Stauffenberg Kreises blieben allerdings in der Minderheit.

Das der verlorene Krieg sofort beendet werden muss und dass dafür Hitler zu beseitigen war, das einte sie alle.
Im Oktober 1944 vermeldete der „Völkische Beobachter“, die Verschwörer um Stauffenberg hätten auf direkten Geheiß Moskaus gehandelt. Nun ja, solche Meldungen sind so ernst zunehmen wie die der Heutigen. Hinzu kommt, bei der Gestapo gemachte Aussagen sind mit Vorsicht zu genießen.

Die Vorgänge um den 20. Juli 1944 und deren Folgen sind ja hinlänglich bekannt und der Autor erspart es sich dies alles nochmals darzulegen.
Dr. Finker macht folgende wesentliche Ursachen für das Scheitern des Staatsstreiches aus. Zum Beispiel erfolgte nicht schnell und konsequent genug die Übernahme aller Rundfunkstationen und Druckereien. Ein Aufruf an die Wehrmacht und die Arbeiter fand nicht statt. Eine Massenbewegung war so nicht möglich. Breite Schichten der Bevölkerung erfuhr von dem Umsturzversuch erst später – zu spät.

Das bloße abstellen auf militärischen Gehorsam im Rahmen der heimlich veränderten Walküre Befehlskette (eigentlich zur Aufstandsbekämpfung gedacht) war ein Schwachpunkt weil etwaiges Zögern nicht einkalkuliert war und auch nicht Sabotage in der Befehlsübermittlung. Oder, konsequente Festsetzung zögerlicher Offiziere (beispielsweise hätte General von Hase Remer sofort festsetzen müssen als dieser mit Goebbels in Kontakt treten wollte). 

Auch war in keiner Weise die Möglichkeit des Scheiterns des Attentats bedacht. Zu den hervorragendsten Persönlichkeiten um Stauffenberg gehörten beispielsweise General Lindemann, Adolf Reichwein (SPD), Adam von Trott zu Solz (Auswärtiger Dienst 1940 bis 1944), General Friedrich Olbricht, Oberst Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim, Oberleutnant Werner von Haeften, Dr. Julius Leber oder Generalmajor Henning von Treschkow oder Friedrich-Werner Graf von der Schulenburg um nur einige von den etwa zweihundert Mitverschwörern zu nennen.

Das heutige Erinnern an das von Claus Schenk Graf von Stauffenberg ausgeführte Attentat in der BRD wird seinen politischen Idealen und Vorstellungen über ein neues und besseres Deutschland in keiner Weise gerecht. Seine Ideale werden verschwiegen oder umgedeutet.

Die BRD verweigert sich bis heute den Stauffenberg‘schen Idealen. Einer wirklichen Ehrung entsprecht das nicht. Statt dessen setzt die BRD zielstrebig und zunehmend aggressiver die Programmatik Goerdelers um. Genauso wie er sie in seinen beiden Denkschriften „Das Ziel“ und „Der Weg“ bereits schon im Jahre 1941 formulierte.

Gemäß seines Planes und den Wünschen des deutschen Finanzkapitals zur Arbeitsteilung zwischen Deutschland und England um Russland zu schaden. Kommt das bekannt vor? So aktuell kann manchmal Geschichte sein. Der westdeutsche Historiker Prof. Rudolf Fahrner bezeichnete die BRD als „greisen Polizeistaat Metternich‘scher Observanz…“  (Blätter für Deutsche und Internationale Politik Heft 10/58 S 773 f.).

Stauffenberg war kein Kommunist. Er war Antifaschist und Humanist. Darum gedenken wir Stauffenberg eben nicht nur wegen seiner mutigen Tat sondern auch seiner aufrichtigen humanistischen Haltung wegen die er stets und  bei jeder Gelegenheit zum Ausdruck brachte und vorlebte. Seinen Idealen für ein friedliches Zusammenleben aller Völker, Völkerverständigung und Völkerfreundschaft, seines aufrichtigen Antifaschismus.

Eine solche Haltung, eine solche internationale Politik brächte nämlich die gesamte Menschheit voran. Eine „Höherzüchtung“ zu Herrenmenschen (Nietzsche) lehnte er entschieden ab.

Rainer Hesse
Volkskorrespondent