Gedenken für die ermordeten Antifaschisten im Keglerheim

Wann? 28.01.2024 um 10 Uhr
Wo? Weißeritzstraße 1, Gedenktafel

Die Veranstaltung wird vom KAD (Kommunistisches Aktionsbündnis Dresden) organisiert. Die DKP ist ein Teil dieses Bündnis.

Zum geschichtlichen Hintergrund:

In Dresden führte die KPD am 25. Januar 1933 eine Protestaktion auf dem Bönischplatz, auf der zur Einheitsfront gegen den Faschismus aufgerufen wurde, durch. Dieser Aufruf richtete sich an die sozialdemokratischen Arbeiter, deren Führung aufgrund ihrer defensiven Haltung Verrat an den Interessen der Arbeiterklasse vorgeworfen wurde.
Nach Abschluß der Kundgebung formierte sich ein Zug von ca. 1.200 Arbeiter, der zum Keglerheim in die Friedrichstrasse zog.

Die Polizei versuchte mehrfach den Zug aufzulösen. Der Saal im Keglerheim war mit einer geschätzten Besucherzahl zwischen 600 bis 800 Menschen völlig überfüllt. Der Referent „Fraedrich“ – Mitglied der KPD – sprach über die Krise, die volksfeindlichen Maßnahmen der Regierung und über die Rolle der Nazis in der Politik der Bourgeoisie. Als der Redner den Terror der Nazis anprangerte, wurde mit polizeilicher Gewalt die Versammlung aufgelöst. Hierbei fielen von Seiten der faschistischen Polizei Schüsse, die 9 Tote, 12 Schwerverletzte und zahlreiche Leichtverletzte unter den Arbeitern forderten.

Die Tageszeitung „Junge Welt“ hat einen Artikel zu dem Ereignis veröffentlicht: https://www.jungewelt.de/artikel/443255.weimarer-republik-massaker-im-keglerheim.html

Gedenktafel mit folgender Aufschrift:

Am 25. Januar 1933 geriet eine Versammlung des Kampfbundes gegen den Faschismus durch das Eingreifen der Polizei zu einem Blutbad. Neun Arbeiter fanden den Tod.

Wir werden nie mehr antreten auf einen Pfiff hin und Jawohl sagen auf ein Gebrüll.

Wolfgang Borchert

Die „Arbeiterstimme“ – Tageszeitung der KPD Sachsen titulierte am 26. Januar 1933 ihre Zeitung mit „Neun Arbeiter erschossen!“

Neun Arbeiter erschossen!

Unerhörtes Blutbad in einer Dresdner Arbeiterversammlung. 9 Tote, 12 Schwerverletzte und ungezählte Leichtverletzte als Opfer der blutigen Polizeiaktion. Empörungssturm unter den Massen. Arbeiter, heraus zum schärfsten Massenprotest. Belegschaften, vorwärts zum Streik!

Dresden, den 26. Januar 1933.

Gestern abend richtete die Dresdner Polizei unter den in einer Massenversammlung des Kampfbundes gegen den Faschismus im Keglerheim zusammengeströmten Arbeitermassen ein furchtbares, unerhörtes Blutbad an, dem neun Arbeiter zum Opfer gefallen sind. Außer neun erschossenen Klassengenossen kommen noch über zwölf meistens schwerverletzte Arbeiter und Arbeiterinnen auf das Blutkonto der Dresdner Polizei. Unter den Dresdner Arbeitern herrscht grimmige Erbitterung und ungeheure Empörung und Erregung, die schon in den frühen Morgenstunden des heutigen Tages in spontanen Protestdemonstrationen in den Arbeitervierteln zum Ausdruck kam.

Auch in den Betrieben hat sich die schändliche Tat der Polizei bereits in den heutigen Morgenstunden unter den Beleg schaften verbreitet, die auf das Blutwerk der Polizei, auf die Erichießung ihrer Klassengenoffen, mit Proteststreik antworten müssen.

Schon als die Dresdner antifaschistischen Arbeiter am gestrigen Nachmittag in machtvollen Kolonnen nach dem Bönischplatz zogen, kam es – wie wir an anderer Stelle ausführlich darstellen – immer wieder zu unerhörten Provokationen der Polizei, die auch die Züge beim Hinmarsch wie auch im Abmarsch wiederholt sprengten und auf solche Weise die antifaschistischen Massen auf das unerhörteste provozierten.

Der Gipfel der Provokation – das war die von der Polizei erfolgte willkürliche Auflösung der Massenversammlung im Keglerheim, welche gestern im Anschluß an die machtvolle Demonstration stattgefunden hat.

In dieser Versammlung saßen und standen gewaltige Massen dicht aneinandergedrängt. Schon lange vor Beginn vermochte der Saal die anströmenden Massen nicht zu fassen.

Da geschieht die erste Provokation. Die Polizei verweigert die Oeffnung der Galerie und gibt erst unter dem Drucke der immer neu herzuströmenden Massen nach langer beharrlicher Weigerung die Galerie für die Versammlungsbesucher frei.

Die Versammlung verlief – wie uns Augenzeugen dutzende Male bestätigt haben – in vollster Disziplin und Ordnung.

Als der Referent zu dieser Versammlung schließlich den Terror und die unaufhörlichen Provokationen der faschistischen Mordbanden anprangert und sie mit dem wuchtigen Einsatz der Massenkraft des Proletariats zu beantworten auffordert, nimmt die Polizei dies zum Anlaß, die Versammlung für aufgelöst zu erklären.

Das Echo: Ungeheurer Protest und höchste Empörung! Da drängt und schiebt sich die schon vorher in anderen Räumen des Lokals untergebrachte Polizei in den Saal, um die Massen rücksichtslos beiseite zu schieben und sich den Weg zur Bühne zu bahnen. Die Wut und der Ingrimm der Versammlungsbesucher über solch rücksichtslose Polizeiaktion steigt und äußert sich in entrüsteten Zurufen.

Von der Galerie herab rufen Genossen im Sprechchor den höchst entrüsteten Arbeitern zu, die Ruhe zu bewahren und Disziplin zu halten. (Selbst die Dresdner Nachrichten müssen das zugeben.)

Trotz alledem steigert die Polizei die Empörung zur Siedespitze, indem sie sogar die Revolver zieht und anschlagbereit gegen die Massen hält. Und nun eröffnet einer der Beamten auf die mittlerweile bereits abziehenden Massen rücksichtsloses Revolverfeuer. Da beginnen auch die übrigen auf die nach allen Ausgängen zuströmenden und sich hier Ausweg verschaffenden Massen zu schießen.

Auch dazu müssen die Dresdner Nachrichten zugeben, daß der Saal sich schon bis auf etwa ein Drittel geleert hatte, als die Polizei auf die Massen zu schiessen begann. Etwa 80 scharfe Schüsse wurden auf die Arbeiter abgefeuert. Im Nu wälzen sich zahlreichen Arbeiter und auch Arbeiterinnen, vor Schmerzen schreiend, am Boden. Fünf sind auf der Stelle tot, vier andere schwer verletzte Arbeiter sterben teils auf dem Transport und teils im Krankenhaus. In großer Zahl wälzten sich außerdem zahlreiche schwerverletzte Arbeiter und Arbeiterinnen in ihrem Blut.

Das ist das Werk der Dresdner Polizei, über das wir noch eingehend und ausführlich an anderer Stelle Augenzeugenberichte veröffentlichen.

Die Bluttat der Dresdner Polizei ist nach der Erschießung der drei Kölner Arbeiter eine weitere Blutspur, die zu noch schärferer Entfaltung der faschistischen Diktatur in Deutschland führen soll.

Aber auch diese Bluttat wird das, was sich gestern im gigantischen Aufmarsch der Berliner Arbeiter offenbarte, nicht zu verhindern imstande sein: die immer schärfer anschwellende und machtvoll vorwärts marschierende antifaschistische Kampesfront, die die Dresdner Arbeiter angesichts der Leichname ihrer Klassengenossen und angesichts der großen Zahl der verletzten Arbeiter noch fester and geschlossener formieren.

Schon haben die Arbeiter in aller Morgenfrühe des heutigen Tages mit spontanen Demonstrationen auf die Bluttat der Dresdner Polizei geantwortet. Die Empörung und Erregung über dieses Massaker brandet in den Arbeitervierteln höher und höher! Sie greift auch auf die Betriebe über. Heute veröffentlichen wir die Resolution des Betriebsrates des Eltwerkes. Morgen muss aus jedem Betrieb das Echo erschallen:

Prosteststreik gegen das Polizeimassaker!

Dieser Proteststreik muß auf der Stelle von allen Dresdner Belegschaften entfaltet werden. Er muss mit betrieblichen Protestkundgebungen verbunden werden und er muss die entscheidendsten Forderungen nachdrücklich bekräftigen, die sich nach diesem Blutbad als Selbstverständlichkeit für alle Arbeiter ergeben:

Fort mit Palitzsch, Pfotenhauer und Einert!* Sofortige Dispensierung und Beftrafung aller schuldigen Beamten!

Stellt man die Bluttat von gestern, diesen rücksichtslosen Aderlaß an revolutionären Arbeitern der unerhörten Schonung der faschistischen Mordbanden durch die Dresdner Polizei gegenüber, wie sie im Fall Hentsch so deutlich in Erscheinung trat, dann ist diese Forderung für jeden klassenbewußten Arbeiter als eine glatte Selbstverständlichkeit erkennbar.

Jetzt heißt es: In Massen heraus, Betriebsarbeiter und Erwerbslose!

Proteststreik – das ist die Losung, für die die Belegschaften auf der Stelle mobil gemacht werden müssen.

Proteststreik […] am Tage der Beerdigung. Entsendung von Delegationen aus den Betrieben und aus allen Arbeiterorganisationen an diesem Tage der Bestattung unserer erschossenen Klassengenossen.

In diesem Sinne: Heraus in kämpfender Einheitsfront gegen die Erschiesung der Dresdner Arbeiter und gegen das ganze blutige System der faschistischen Diktatur!“

* Johannes Palitzsch war von 1931-1933 Dresdner Polizeipräsident; Fritz Pfotenhauer war ab 1928 stellvertretender Polizeipräsident von Dresden

„Arbeiterstimme – Tageszeitung der KPD. Sektion der Kommunistischen Internationale. Bezirk Sachsen“  (26.01.1933, S.1)