Eindrücke aus Katalonien und Frankreich

Während des Aufenthaltes von etwas mehr als 4 Wochen in Barcelona möchte ich über das Leben dort berichten. Die Grundlage bilden zahlreiche Gespräche mit Werktätigen des Dienstleistungssektors, Bauarbeitern sowie Gemeindearbeitern, Angestellten und Mitarbeitern von Gemeinden, auch Vertretern des Mittelstandes und Aktivisten der Unabhängigkeitsbewegung und eigenem Erleben.

Das durchschnittliche Einkommen beträgt derzeit Netto Eintausendzweihundert Euro monatlich. Die Mieten, abhängig von der Wohnungsgröße und beabsichtigter Mietdauer, liegen um die Dreihundertfünfzig bis Sechshundertfünfzig Euro monatlich, teilweise sogar Brutto. Vor allem im Dienstleistungsbereich beträgt die Arbeitszeit 8 Stunden täglich, sechs Tage die Woche.

Aufgrund der sehr hohen Stromkosten, die mehr als vierzig Cent pro Kilowattstunde betragen sollen, waren nirgendswo die Klimaanlagen in Betrieb und das während eines sehr heißen Sommers. Das bedeutet: 8 Stunden arbeiten bei 36°C am Arbeitsplatz. Für Bäcker, Köche und Verkäuferinnen war das eine besondere Härte, nicht weniger für Angestellte in den Büros. Gemeindearbeiter und Bauarbeiter hatten es da etwas besser. In den Fabriken herrschten ebenso unerträgliche Temperaturen.

Die Preise für Lebensmittel sind sehr hoch. Deren Qualität ist aber um ein Vielfaches besser und mit dem was man hier vorgesetzt bekommt, nicht zu vergleichen. Whisky ist billiger als Olivenöl. 

In jedem Ort, so klein er auch sein mag, gibt es eine Gemeindeverwaltung und Gemeindearbeiter, die die Straßen und Gehwege sauber halten sowie die Parkanlagen und Bäume pflegen. Die Einwohner sollen sich in ihrem Heimatort wohlfühlen. Die Menschen flanieren bis spätabends durch die Straßen, genießen ein Glas Wein, Tapas oder Bier.

In den Abendstunden trifft man auf sich angeregt austauschende Menschen und Fremde sind willkommen an der sozialen Interaktion teilzuhaben. Meist bis gegen neun oder zehn am Abend sind die Kinderspielplätze voller Leben. Hell erleuchtet, hier, eher eine Rarität. 

Die Spanier verstehen es viel besser Straßen zu bauen und so müssen sie sie nicht aller zwei oder drei Jahre wieder reparieren. Damit können sie natürlich in die Verkehrsinfrastruktur investieren was zu erheblichen Entlastungen führt. Fußgängerschutzwege sind die Normalität und vor allem vor Schulen, Kindergärten und Kindergrippen obligatorisch. Noch vor einiger Zeit war eine Zunahme des Güterverkehrs via Bahn zu beobachten. Leider ist dieser Trend wieder rückläufig. Schade eigentlich.

Das Mobilisierungspotential für soziale Proteste liegt höher als das für die Unabhängigkeit von Katalonien. Die Zeiten, wo sie Millionen von Menschen auf die Straße brachten sind vorbei. Allerdings halten sich soziale Proteste leider ebenso in Grenzen.

In Madrid haben wir es derzeit mit antikatalanischen Demonstrationen zu tun. Die Organisatoren sind die Partido Pobular (PP), Ciudadamos und VOX, ein Ableger der PP. Diese Parteien setzen auf extremen Nationalismus. Sie hetzen die verschiedenen Volksgruppen gegeneinander auf und so haben wir es mit solch gefährlichen Forderungen wie das Verbot der katalanischen Sprache zu tun. Heute ist es katalanisch, morgen vielleicht baskisch oder valencianisch und was kommt dann? 

Es bleibt zu hoffen dass sich die Menschen in Spanien eine erneute Machtübernahme der PP nicht antun werden. Die Parlamentsdebatten (Cortes Generales) sind sachlich. Die Abgeordneten sprechen vor vollem Haus. Politisch bedingte Ordnungsrufe habe ich keine gesehen. Es ging um die Bestätigung von Pedro Sánchez für weitere vier Jahre als spanischen Ministerpräsidenten. Auch hier sehe ich keinerlei Vergleich zur hiesigen in der Debattenkultur im Parlament.

Im Allgemeinen gehen die Spanier davon aus, Russland habe den Deutschen die Gasversorgung gekappt. Man konnte es fast gar nicht glauben wenn ich vom Gegenteil berichtete und mehr noch,  es waren die Deutschen selbst, die die Lieferung von  russischem Rohöl unterbrachen.

Ebenso ungläubig und kopfschüttelnd nahm man meine Berichte zur Kenntnis wonach es in Deutschland verboten ist und unter Strafe seht seine Meinung, privat auszusprechen oder gar zu publizieren, wenn sie denn nicht der offiziellen Staatsmeinung entspricht (§ 130 Strafgesetzbuch – Volksverhetzung).

Vor allem die Intelligenz wollte mehr von mir wissen. Ich musste ihnen erklären, dass davon nicht nur Privatpersonen betroffen sind sondern vor allem Schriftsteller, Journalisten und leider auch Wissenschaftler.

Sie können nun nicht mehr seriöse und unabhängige wissenschaftliche Forschung betreiben und publizieren. Als einen unglaublichen Eingriff in die Freiheit von Forschung und Lehrer waren deren Kommentare. Weiter musste ich berichten, dass schon so viele Deutsche in die Emigration gegangen sind.

Die einhellige Meinung aller meiner Gesprächspartner; wie bei Franco. Also in Spanien, aber auch in Frankreich kann man seine Meinung frei äußern. Die Katalanen sind sehr offen gegenüber anderen Meinungen, auch wenn sie nicht ihren Eigenen entspricht. Genauso sind sie offen und freundlich gegenüber Fremden im Allgemeinen und im Besonderen Migranten gegenüber.

Die Zahl der Obdachlosen hat sich verfestigt. Man sieht sie vor den Supermärkten und auf den Ramblas.  

Das spanische Gesundheitssystem kennt auch die Zweiklassenmedizin, weil die privaten Krankenkassen medizinische und ärztliche Leistungen höher vergüten. Das führt natürlich zu höheren Wartezeiten bei Facharztterminen.

Allerdings mit der Einschränkung, bei lebensbedrohlichen Erkrankungen darf es keinerlei Verzögerungen bei Facharztterminen geben, egal ob privat oder gesetzlich versichert. In jeder Stadt gibt es Kliniken und Krankenhäuser, mindestens aber ein Krankenhaus.

Die Alten- und Behindertenpflege ist vorbildlich und die UN- Behindertenkonvention wird in Spanien buchstabengetreu umgesetzt. Im Öffentlich Rechtlichen Fernsehen bringen sie Reportagen über Familien mit Menschen mit Behinderung oder Einrichtungen in denen jene betreut werden sowie der Unterstützung durch Gemeinden und Vereine, um die Öffentlichkeit zu sensibilisieren.

Allerdings sind die Spanier sowieso aufgeschlossen und es gibt kaum Ressentiments gegen Alte oder Menschen mit Behinderung. Letztere und deren Angehörige müssen keinerlei Regressforderungen der Gemeinden fürchten.

Also Diskriminierungen von Menschen mit Behinderung und deren Familien, auch und gerade finanziell, gibt es dort nicht. Etwa so wie hier in Dresden bei der Landeshauptstadt, wo dies tagtägliche Praxis ist und die Sozialbürgermeistern das auch noch gutheißt und billigt. All meine Gesprächspartner sahen dies sehr, sehr kritisch. 

Das dortige Fernsehprogramm flacht ebenso kontinuierlich ab wie das hiesige. Stört aber nicht weiter, die Meisten sind eh abends draußen und pflegen soziale Kontakte. Eine GEZ und eine GEMA gibt es dort nicht. Bei Fußballspielen gibt es keine  Bezahlschranken. 

In Frankreich, eine schlaksige Äußerung zu Macron reichte um nahezu den ganzen Supermarkt zum lachen zu bringen. Jedem ist es gestattet seine Meinung frei, privat und öffentlich zu äußern und so kann man auch Reportagen und Interviews finden, die sich kritisch mit gewissen Dingen, die man hier nicht mehr aussprechen darf, befassen.

Das wird wohl auch der Grund sein warum europäische Programme hier unterdrückt werden. Egal ob Urheberrechte oder Desinformation als Begründung herhalten müssen. Am Ende läuft es auf dasselbe hinaus. Informationshoheit gegenüber der Bevölkerung. In Frankreich findet man in fast jedem Ort einen Bürgermeister und ein Postamt.

Die Mittelschicht in Spanien ist noch nicht so ausgedünnt wie etwa in Frankreich oder hier. Aber die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung, die Werktätigen und Rentner, leiden unter der sich ständig verschärfenden Krise des Imperialismus.

Als ich aus diesem Lande hier endlich raus war, die letzten deutschen Nachrichten und Kommentare waren eine permanente Kritik am Volke. Wir spenden zu wenig Organe, essen zu viel Fleisch und verhalten uns ansonsten auch nicht richtig.

Und als ich wieder die ersten deutschen Nachrichte hörte; Lingua cuarti Imperii, dort 50 Ermittlungsverfahren wegen „Volksverhetzung“, Staatsschutz ermittelt, 20 Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung, Polizei ermittelt. Mein Gott das passte zu den dunklen Straßen und Autobahnen Deutschlands.  

Rainer Hesse
Volkskorrespondent

Foto: Rainer Hesse
Restaurierte Stellung republikanischer Milizionäre 1936 „Forti del Torrent” am Strand von Cunit (Provinz Tarragona). Hier wurde seit 1936 die Anladung faschistischer Formationen abgewehrt.

Foto: Rainer Hesse
Kommunistische Losung; Zeit der Krise – Zeit zur Revolte, aufgenommen in einer Seitenstraße in Vila Nova i la Geltru (Barcelona)