Die Schuldfrage am Ausbruch des 2. Weltkrieges ist aber so was von eindeutig.

Am 23. August 1939 kam es in Moskau zur Unterzeichnung eines gegenseitigen Nichtangriffs- und Neutralitätspaktes zwischen dem damaligen Deutschen Reich und der Sowjetunion. Unterzeichnet wurde er vom sowjetischen Volkskommisar für Auswärtige Angelegenheiten Wjatscheslaw Molotow und vom Reichsminister des Auswärtigen Joachim von Ribbentrop. Heute erzählt man uns, dieser Pakt sei umstritten. Dem ist nicht so.

Zuerst will ich in aller Klarheit feststellen, es war der deutsche Imperialismus, welcher den so grausamen Zweiten Weltkrieg entfachte.

Mitverantwortlich waren in herausragender und in besonderer Weise England auch Frankreich und im Hintergrund die USA. 

Man kann ja Stalin alles Mögliche unterstellen, mit Nichten eine Mitverantwortung am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges.

Die Aggressionen des faschistischen Italiens 1935 gegen Äthiopien, die Ereignisse 1936 um die Spanische Republik, welche sich zu einem handfesten Bürger- und Interventionskrieg entwickelten und die Sabotage Englands bei der Arbeit des Nichteinmischungskommitees in London, der Annexion der Republik Österreich am 12. März 1938 sowie den Ereignissen um die Tschechoslowakische Republik, dem offenen Verrat an der Regierung der Spanischen Republik 1939 und der italienische Überfall auf Albanien am 7. April 1939 begründeten die Sorgen der Regierung der Sowjetunion vor einem erneuten Weltkrieg. 

Die Regierung der UdSSR registrierte sehr wohl die Verwicklungen des Westens, allen voran Englands. Am 15. September 1938 empfing Hitler den britischen Premier Chamberlain in Berchtesgarden und am 22. und 23. September traf Chemerlain erneut Hitler persönlich in Deutschland. Der Autor bezieht sich auf die Erinnerungen Iwan Michailowitsch Maiski, von 1932 bis 1943 Botschafter der UdSSR in London, den Erinnerungen Marschall der Sowjetunion Georgi Konstantinowitsch Schukow und Hinweisen aus dem Lehrbuch „Geschichte der UdSSR 1917 – 1970“.  

Ich halte es für angebracht, auf einige wichtige Ereignisse jener Zeit, die am Ende nicht losgelöst und vor allem ausgehend vom Raubfrieden von Brest Litowsk, zu verweisen um ein Gesamtbild zu vermitteln. Als da wären: 

– 5. Mai 1933 Verlängerung des Neutralitätspaktes von 1926 zwischen Deutschland und der UdSSR, 

– Juli 1934 Bekenntniss Churchills zur Zusammenarbeit mit der UdSSR zur Gefahrenabwehr faschistischer Mächte, 

– 1935 Britisch – Deutsches Flottenabkommen, 

– 19. April 1938 englisch – italienischer Freundschaftsvertrag, 

– 28. Mai 1938 der englische Premierminister Ramsay MacDonald Baldwin geht in den Ruhestand, es folgt Neville Chamberlain, 

– 1932/1933 kokketierte Lady Astor noch mit ihrer Freundschaft zur Sowjetunion, später legte sie sich auf ihrem Londoner Landsitz Cliveden einen politischen Salon zu, der später unter dem Begriff „Cliveden Set“ oder „Cliveden Klique“ in die Geschichte einging. Dort versammelten sich die reaktionärsten Kreise des britschen Großbürgertums, der Chefredakteur der Times Geoffrey Dawson, Politiker allen voran Neville Chamberlain, Lord Halifax, Samuel Hoare oder Kingsley Wood, um nur Einige zu nennen. Später mit dabei der US-amerikanische Botschafter in England Joseph Kennedy (Vater von J. F. Kennedy). Der, nebenbei bemerkt, von der Macht Hitlerdeutschlands felsenfest überzeugt war und Zweifel an Englands Überlebensfähigkeit hegte.

Diese illustere Gesellschaft verfolgte eine sogenannte „Befriedungspolitik“. Ihnen war wohl klar, dass ihre militärischen Kapazitäten wohl nicht ausreichend wären, um etwaige faschistische Aggressionen abzuwehren. Man wollte die Aggressionsgelüste des deutschen und italienischen Imperialismus gen Osten lenken. Und, sie spekulierten darauf etwas von der fetten Beute im Osten abzubekommen.

Die UdSSR vertrat, so wie Churchill damals auch, die Meinung, die militärischen und wirtschaftlichen Kapazitäten Englands, Frankreichs und der UdSSR zusammen können den faschistischen Aggresionsgelüsten Einhalt gebieten.  

Die Bemühungen zum Abschluss eines Dreipaktes zur Abwehr faschistischer militärischer Interventionen waren von sowjetischer Seite ernst und aufrichtig. Das kann man jedoch vom Westen gerade nicht behaupten.   

Die Verhandlungen zum gegenseitigen Beistandsabkommen begannen am 17. April 1939 und wurden von westlicher Seite immer wieder verschleppt. Die Gründe hierfür ergeben sich aus den oben angeführten Fakten von Vertragsabschlüssen mit den faschistischen Mächten sowie geführter Geheimverhandlungen zwischen England und Deutschland über die Aufteilung der Welt in Interessensphären. Trotzdem schaffte man einen nahezu unterschriftsreifen Pakt auszuhandeln. 

Wie ehrlich die englischen Absichten tatsächlich waren, dazu erinnert sich der damalige sowjetische Botschafter in London von einer Unterredung im Juni 1939 zwischen Kinglsley Wood, dem englischen Marineminister und Chamberlain. Er will erfahren haben wie sich Wood bei Chamberlain nach dem Stand der Dreiverhandlungen erkundigt, worauf er diese Antwort erhielt (wörtlich); „… ich habe immer noch Hoffnung, dass es gelingen werde, um die Unterzeichnung dieses unseligen Paktes herumzukommen.“ 

Damit ist eigentlich alles klar. Damit ist erwiesen, wer tatsächlich den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges mit zuverantworten hat. Hier noch ein Beispiel. Die Sowjetunion bestand auf eine Militärkonvention als Bestandteil des Dreierpaktes. Das ist insofern klar, weil jede der vertragsschließenden Seiten wissen muss, was im Falle einer Aggression gegen einen oder mehrere der Vertragsparteien militärische zu leisten hat. Dazu kommen noch die Umstände der englischen und französischen Garantien gegenüber anderen Ländern, wie Rumänien oder Polen. 

Der Westen lamentierte und wollte der UdSSR die Schuld weiterer Verzögerungen zuschieben. Dennoch kam es am 12. August 1939 zu einer ersten Besprechung zwischen Vertretern der jeweiligen Generalstäbe in Moskau. Während die sowjetische Delegation unter Leitung von Worschilow umfangreiche Verhandlungsvollmachten seiner Regierung vorlegte, hatte General Aimé Doumenc (Frankreich) ebenfalls Vollmachten, zwar nicht so weitreichende wie die der sowjetischen Seite, aber immerhin. Die englische Delegation seiner Majestät hatte gar nichts dergleichen vorzuweisen. Schließlich scheiterte am Ende alles an der Erklärung der polnischen Regierung; keine sowjetischen Truppen auf polnischem Gebiet zu dulden.

Das faschistische Deutschland beobachtet die Verhandlungen über das Dreierbündnis mit wachsender Sorge. Deutschland entwicklete eine hektische und eigentlich überstürzte Diplomatie gegenüber der UdSSR, machte Avancen. Die deutsche Presse hetzte plötzlich nicht mehr gegen die UdSSR. Der deutsche Botschafter Friedrich-Werner Graf von der Schulenburg, später im Kreis Stauffenberg aktiv, erhielt direkt Eilaufträge durch von Weizsäcker zu sofortigen Sondierungen beim Volkskommisar für Auswärtige Angelegenheiten. Die Deutschen betrieben eine offensive Diplomatie, boten an, Ribbentrop könne sofort nach Moskau fliegen, setzten Fristen und machten weitere Zugeständnisse. 

Als die UdSSR noch immer außerordentlich zögerlich, zurückhaltend und mißtrauisch reagierte, intervenierte Hitler bei Stalin. Im August war der Sowjetregierung klar, die Dreierverhandlungen waren in eine Sackgasse geraten. Es blieb nichts anderes übrig, als auf die deutschen Avancen einzugehen. Denn, was waren die Alternativen? Es hätte zu einer imperialistischen und faschistischen Einheitsfront gegen die UdSSR kommen können, ein Zweifrontenkrieg drohte, zumal gerade der japanische Imperialismus versuchte, sowjetisches und mongolisches Gebiet zu annektieren. 

Am 23. August 1939 haben dann in Moskau Deutschland und die Sowjetunion den gegenseitigen Nichtangriffs- und Neutralitätspakt parafiert. Unterzeichnet wurde er vom sowjetischen Volkskommisar für Auswärtige Angelegenheiten Wjatscheslaw Molotow und Joachim von Ribbentrop. Heute erzählt man uns, dieser Pakt sei umstritten. Dem ist nicht so. 

Die Regierung der Sowjetunion war der Meinung, sich stets loyal gegenüber England und Frankreich verhalten zu haben und dass der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt trotzdem, von seinem Text her, kein Hindernis für ein Zustandekommen eines Dreierpaktes darstellte. Der Deutsch – Sowjetische Vertrag beinhaltete so wichtige diplomatische Formulierungen, führt Maiski aus, wie gegenseitige Konsultationen und Informationen zu strittigen Fragen. 

Schon am 1. September überfiel Deutschand ohne Kriegserklärung Polen. Die polnische Regierung floh und setzte sich nach England ab. Sie lies das polnische Volk im Stich. Und England als Garantiemacht, was taten sie?

Die Wehrmacht rückte bis an die alten polnischen Grenzen von 1917 vor. Am 17. September marschierte die Rote Armee in die ehemaligen russischen Gebiete der Westukraine, den westlichen Gebieten von Belorussland und Litauen, ein. 

Es fanden dort Wahlen statt in deren Ergebnis diese Gebiete der sowjetischen Union beitraten und als Geste der Freundschaft übergab die UdSSR die ehemalige Haupstadt Vilnius, die seit 1920 von den polnischen Pans regiert wurde, an Litauen zurück. Polen existierte nach der Flucht der polnischen Regierung nicht mehr. Es gab Niemanden mehr mit dem man hätte auf polnischer Seite noch verhandeln können. Die beschriebenen Gebiete waren sozusagen herrenlos.

In den Erinnerungen Churchills und anderer westlicher Zeitgenossen von einst versucht man natürlich die Verantwortung für das Scheitern des Dreierbündnisses der UdSSR zuzuschieben. 1948 kam in den USA ein Sammelband heraus, in dem in Berlin erbeutete diplomatische Dokumente präsentiert wurden um ein Doppelspiel der UdSSR zu belegen. Tatsächlich belegen diese Veröffentlichungen gar nichts. Es fehlen wichtige Schriftstücke des Zeitraums vom 17. April bis 14. August 1939 (erster Abschnitt des Sammelbandes). Insgesamt unterschlagen sie 32 Schriftstücke, eines von April, 12 vom Mai, 7 Stück vom Juni, 5 Dokumente aus Juli und 7 Stück vom August. 

Maiski führte darüber hinaus erbittert Klage über eine verfälschte Wiedergabe einer Gespächsnotitz. Die präsentierten deutschen diplomatischen Dokumente, die eben geheime Verhandlungen zwischen der UdSSR und Deutschland belegen sollen, entpuppen sich als gewöhnliche diplomatische Vorgänge. Beispielsweise, nach der deutschen Okkupation der CSSR war zu klären, was mit den sowjetischen Aufträgen bei Skoda werden sollte. 

Damals hatte der Westen allen Grund zu versuchen, sich rein zu waschen. Die Sympatie der englischen und amerikanischen werktätigen Massen für die Sowjetunion war bedeutend. Sie konnten gar nicht anders, denn sonst wäre die Frage der Mitverantwortung an 60 Millionen Kriegsopfern schon damals dort an der Tagesordnung. Tja und warum heute? Der UdSSR eine Mitverantwortung am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zuzuschieben, absurder geht’s nicht. 

Warum machen sie das? Weil heute das alles dazu dient, die wahren räuberischen Absichten des Westens zu verschleiern. Er verfolgt noch heute die gleichen Absichten wie damals. Darum ist das von so außerordentlicher

Bedeutung. Weil nämlich die nun von einem Dritten Weltkrieg bedrohten Bevölkerungen, allen voran gerade die im Westen, wiederum ansonsten unangenehme Fragen stellen würden. Das ist zu vermeiden, weil nämlich ansonsten die gesamte Tragweite an Absurditäten ans Licht käme. Die Resolution 2019/2819 (RSP) des Europäischen Parlaments bedeutet eine völlige Ignoranz der territorialen Unversehrtheit der jungen UdSSR des Jahres 1918. 

Sie soll nichts anderes als den damaligen territorialen Raub von Brest Litowsk legitimieren. Auf der Grundlage welchen Rechtes eigentlich? Beim Überdenken komme ich nicht umhin, mich an einen alten Spruch aus dem Kindergarten zu erinnern „Was ich selber denk und tu, das traue ich auch Andern zu“. Parlamentsbeschlüsse gab es auch im Reichstag bei Hitler. Maßgebend jedoch sind die Nürnberger Beschlüsse des damaligen internationalen Tribunals. Und Achtung; auch die damalige Presse.

 

Rainer Hesse

Volkskorrespondent

DKP Sachsen