Meinung zu Kaja Kallas Auftritt bei dem Videokanal „Eurodebates“

Zu Frau Kallas Äußerungen würde passen „Ich bin so klug und Weise, und mich betrügt man nicht“ (aus der Komischen Oper Zar und Zimmermann).

Auf dem Videokanal „Eurodebates“ lässt sie uns an ihrem exzellenten Wissen teilhaben; wörtlich „Wir sehen einen Kampf um die Narrative um den Globalen Süden und den Rest der Welt. Ich war auf einem ASEAN-Treffen, und Russland wandte sich an China, etwa so: ‚Russland und China kämpften im Zweiten Weltkrieg. Wir haben den Zweiten Weltkrieg gewonnen, wir haben die Nazis besiegt.‘ Und ich dachte mir: Okay, das ist etwas Neues. Für alle, die die Geschichte kennen, ist das sehr fragwürdig […] man kann sehen, dass sie dieses Narrativ glauben. Und dann machen die Chinesen Veranstaltungen, in denen sie den Kampf gegen Japan feiern.“

Wenn es denn nur mangelnde Bildung wäre, wie Maria Wladimirowna Sacharowa vermutet, dann ließe sich das unter der Rubrik eines echten intellektuellen Leckerbissens verbuchen. Aber ich fürchte dem ist nicht so, weil es sich hier um die Fortführung einer Umgestaltung der Geschichte handelt. Seit Jahrzehnten bastelt man an der Legende die USA und England hätten den Verlauf des Zweiten Weltkrieges wesentlich beeinflusst, ja mehr noch, sogar den Zweiten Weltkrieg gewonnen.

Was Frau Kallas wissen müsste ist, seit September 1939 bestand ein Beistandsabkommen zwischen Estland und den anderen baltischen Republiken mit der UdSSR und als Zeichen der Freundschaft erhielt Litauen ihre Stadt Vilnius zurück, die die Rote Armee 1939 befreit hatte. Vilnius war seit 1920 von Polen okkupiert. Aus Sorge der Sicherheit der baltischen Republiken und der gesamten UdSSR und auf der Grundlage der Beistandsabkommen mit Zustimmung der jeweiligen Regierungen stationierte die Rote Armee Einheiten in den betreffenden Gebieten.

Die an der Spitze der Republiken stehenden profaschistischen Regierungen schlossen untereinander ein antisowjetisches Militärbündnis. Das war ein klarer Bruch der Beistandsabkommen mit der UdSSR. Nun gingen die baltischen Staaten mittels Anschlägen und Attentaten gegen die auf ihren Territorien rechtmäßig und zum Schutz vor faschistischer Aggression stationierten Offiziere und Soldaten der Roten Armee vor und 1940 wandte sich die Regierung Litauens sogar ans Deutsche Reich mit der Bitte um Truppenentsendung. 

Am 15. Juni 1940 unternahmen baltische Faschisten den Versuch gewaltsam mit den demokratischen Kräften abzurechnen. Anlaß war die Eröffnung eines Sportfestes. In Odessa lief es damals ähnlich ab. Aus den Geschichtsbüchern geht weiterhin hervor, dass diese Entwicklung zu massenhafter Empörung der werktätigen Bevölkerung führte. Antifaschistische Volksfronten entstanden. Trotz Verbots der Kommunistischen Parteien hatten sie die Mehrheiten in den Volksfrontbewegungen.

Massendemonstrationen und Streiks führten schließlich zum Sturz der profaschistischen Regierungen. Schließlich baten die neuen volksdemokratischen Regierungen aller drei Länder um Aufnahme in den Verband der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Diesem Ansinnen entsprach schließlich der Oberste Sowjet in seiner VII.Tagung am 3. August 1940.

So jedenfalls ist es dem Lehrbuch „Geschichte der UdSSR“ zu entnehmen. Bei Wikipedia ist die Geschichte vollkommen anders dargestellt. Von sowjetischen Besatzungen und deren Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung ist da die Rede. 

Die Beistandsabkommen finden keinerlei Erwähnung. Ebenso die Massendemonstrationen und Streiks damals im Jahre 1939/1940 nicht. Aus diesem Grunde halte ich deren Erzählungen für eher unglaubwürdig. Es passt zu den öffentlichen Darstellungen der Frau Kallas und Anderer.

Heutige Geschichtslehrbücher sind derart inhaltsleer, dass in der Tat zu befürchten ist, zukünftige Generationen werden hierüber überhaupt kein Wissen mehr verfügen. Dann können die den Menschen alles Mögliche erzählen nur nicht die Wahrheit. Darum sind die Erinnerungen so wichtig.

Es scheint fast so als wiederhole sich die Geschichte. Die Estin verschweigt solche Sachverhalte, wie beispielsweise mit Stand Februar 1942 etwa knapp 21.000 Esten in der SS waren. Auf Grund von Propaganda und Zwangsrekrutierung erhöhte sich der Anteil auf 70.000 Esten 1943 die auf Seiten der Deutschen kämpften. Im Jahre 1941 zählte Estland eine 1.070.000 Einwohner. Gemessen an der Einwohnerzahl waren knapp 7% der Esten in bewaffneten deutschen Formationen integriert und schließlich mit in die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verwickelt, denen Juden und Roma, politische Gegner, Widerstandskämpfer, Kriegsgefangene oder einfach Unschuldige, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren, zum Opfer fielen.

Alle diese Opfer faschistischer Barbarei verhöhnen sie, schlimmer noch, Frau Kallas macht sich mit derartigen Sprüchen noch lustig über sie. Es wird geschätzt, dass in den drei baltischen Staaten allein 200.000 Juden der faschistischen Barbarei zum Opfer fielen.

Das kann selbst Wikipedia nicht weglassen.

 

Rainer Hesse

Volkskorrespondent

Mitglied der DKP Dresden

 

Hier geht es zum kritisierten Auftritt: https://www.youtube.com/watch?v=gPN1d0H5EFg&t=990s