Kritik zum Artikel „Kampf um den Überbau“ des Autoren Reinhard Lauterbach vom 24.09. in der Tageszeitung Junge Welt

Hier geht es zum Original-Artikel in der Jungen Welt: https://www.jungewelt.de/artikel/435354.geschichte-der-arbeiterbewegung-kampf-um-den-%C3%BCberbau.html?sstr=%C3%9Cberbau

Wenn Journalisten geschichtliche Ereignisse von vor einhundert Jahren analysieren, sollte man genau hinsehen, auch wenn es manchmal schmerzt…

Vor allem die Beschreibung der Ereignisse 1922 der jungen Sowjetrepublik. Aus heutiger Sicht kann man gern einiges anders sehen, aber vergessen wir nicht die Menschen die damals in dieser Epoche handelten. Einen Staatsaufbau wie wir ihn damals in der jungen Sowjetrepublik sahen, den gab es vorher noch nie in der Welt.

Es gab nichts Vergleichbares an den sich die Bolschewiki hätten orientieren können, wenn man einmal von den Erfahrungen der kurzen Zeit der Pariser Kommune absieht. Arbeiter wurden von ihrer Drehbank im Traktoren- oder Lokomotivwerk in den jungen Staatsapparat berufen. Fehler waren vorprogrammiert und heute aus einem imperialistischen Staat lebend heraus diese Zeit zu analysieren, überheblich und arrogant festzustellen, was die damals alles Schlimmes machten, ist im Grunde einfach daneben und ich möchte nicht den Autoren dieses Artikel sehen wie er in dieser Epoche sich denn gegeben hätte.

Das Jahr 1922 war geprägt vom Bürger- und Interventionskrieg der Westmächte gegen die junge Sowjetrepublik. Der „Weiße Terror“ lief zur Hochform auf. Mit der sozialistischen Revolution 1917 war doch die russische Bourgeoise nicht verschwunden. Sie wehrten sich gegen ihren Machtverlust. Das war das Eine und das Andere, sie waren, wie es Lenin oft sagte und schrieb, über Tausend unsichtbare Fäden mit ihren ausländischen Klassengenossen verwoben.

Die Epoche von 1921 bis 1923 war der Beginn der Wiederherstellung der Wirtschaft und der Übergang zur neuen ökonomischen Politik. Der junge Sowjetstaat war umgeben von ihm gegenüber feindlich gesinnten Kräften und Staaten. Er musste sich behaupten und das gelang ihm zunehmend immer besser. Es wurden Handelsverträge mit zahlreichen imperialistischen Mächten geschlossen, darunter Deutschland, England, Österreich und so weiter und schließlich bedeutete dies eine faktische Anerkennung der Existenz des Sowjetstaates.

Im Zusammenhang mit dem Aufbau des Kommunismus warnte Lenin vor sektiererischer Enge. Man müsse alle Kräfte die der Sowjetmacht loyal gegenüber stehen einsetzen. Auf der XII. Parteikonferenz im August 1922 rief er alle Partiemitglieder zum entschlossenen Kampf gegen die bürgerliche Ideologie auf. Nicht zu vergessen, 1922 war die westliche Welt wieder einmal krisengeschüttelt. Die Hetze des Westens lief auch wieder einmal zur Hochform auf.

Zu Beginn des friedlichen Aufbaues war die innere Lage so: das Territorium des Sowjetlandes betrug 21,7 Millionen km² mit 136 800 000 Menschen wovon 116 000 000 auf dem Lande in den Dörfern lebten. Die Reste der Leibeigenschaft waren eben mal gerade vor 5 Jahren beseitigt worden. Der erste Weltkrieg und der darauf folgende Bürger- und Interventionskrieg hat 20 000 000 Menschen das Leben gekostet und 4 500 000 zwischen 16 und 49 Jahren waren Invaliden.

Es gab eine schlimme Hungersnot auf Grund der Dürren 1920 und 1921. Daraus folgten Missernten. Andauernde Kämpfe mit Weißgardisten und der ausländischen Interventen gegen den Sowjetstaat erschwerten die Situation ungemein. Obwohl durchaus beachtliche Erfolge bei der Wiederherstellung der Wirtschaft und des friedlichen Aufbaus zu verzeichnen waren, hatte die Hungersnot insgesamt die Entfaltung der industriellen Warenproduktion eingeschränkt.

Was das Verbot der Fraktionsbildung anbelangt, so war das höchste Zeit. Es gab davon zahlreiche und die Bolschewiki hatten mit solchen Fraktionen leidvolle Erfahrungen sammeln müssen. Das begann mit offenem Verrat, Meuterei und bewaffneten Attentaten. Eine ursprüngliche Weigerung der Unterzeichnung des Friedensvertrages von Brest-Litowsk, das ungeachtet der eindeutigen Beschlusslage die Sowjetunion in eine schlimme Lage brachte. Die Fraktion der Arbeiteropposition ließ das Fass schließlich überlaufen.

Trotz Beschluss des X. Parteitages hatte diese sich nicht aufgelöst, betrieb ihr Geschäft um Schlapnikow, Medwedew und Kollontai konspirativ weiter und versuchte die Arbeiter in den Fabriken gegen den Sowjetstaat aufzuhetzen. Es waren nichts anderes als Agenten der Bourgeoisie innerhalb der Arbeiterbewegung. Das in einer so wichtigen Phase der Reorganisierung der Wirtschaft. Eine marxistische Partei bedarf keiner Fraktionen.

Es ist eine Partei neuen Typus, die sich strikt an die innerparteiliche Demokratie, den demokratischen Zentralismus, die Parteidisziplin, das Prinzip der kollektiven Leitung sowie den Prinzipien der Kritik und Selbstkritik hält. Zerstörerische Fraktionen haben da keinen Platz. An dieser Stelle möchte ich dem von Reinhard Lauterbach wiedergegebenen Leninzitat ein anderes entgegen setzen, nämlich, „… dass sich ohne eine gediegene philosophische Grundlage keine Naturwissenschaft, kein Materialismus im Kampf gegen den Ansturm der bürgerlichen Ideen und gegen die Wiederherstellung der bürgerlichen Weltanschauung behaupten kann…“.

Das junge Sowjetland hatte darüber hinaus außenpolitisch mit Diskriminierung und Provokation insbesondere von Seiten der USA zu tun. Genannt seien da stellvertretend der Ausschluss von der Washingtoner Konferenz der neuen Mächte zu fernöstlichen Fragen (1921/1922) oder die Konferenz von Lausanne (1922/1923), bei der es um die Durchfahrt von Handels- und Kriegsschiffen durch die Meeresengen des Schwarzen Meeres ging. 

Selbstverständlich habe ich Lenin nicht „mit Löffeln gefressen“. Davon bin ich Lichtjahre entfernt. Jedenfalls würde ich mir nicht anmaßen, basierend auf bürgerlichen Bewertungen, zu kritisieren. Ich würde dabei scheitern. Anstatt im Internet nachzulesen, ist es eher hilfreich dies in den guten alten Lehrbüchern zu tun. 

Hier eine der Quellen dieses Artikels in der Jungen Welt: Wikipedia…. „…Die neu etablierte Sowjetmacht versuchte mit allen Mitteln ihre Macht zu konsolidieren und ließ in den Anfangsjahren ihrer Herrschaft Tausende von Oppositionellen inhaftieren und erschießen. Später kam die Idee auf, sich unliebsamer Personen durch deren Ausweisung ins Ausland zu entledigen. „Philosophenschiff“ ist die Sammelbezeichnung für mindestens fünf Schiffe, mit denen im Jahr 1922 unliebsame Personen in großer Zahl aus Sowjetrussland ins Ausland abgeschoben…“ worden.

Ein solcher Stil tut der Jungen Welt nicht gut.      

Für mich war Lenin ein genialer Denker, aber auch ein Praktiker, ein Macher, würde man heute sagen. Er war einfach genial. Lenin hätte 200 Jahre leben müssen, das ließ man nicht zu.

Rainer Hesse

Volkskorrespondent