Erinnerung an die Atombombenabwürfe vor 80 Jahren

Aus Band IV „Die Zaubertruhe. Ein Almanach für junge Mädchen“ (1963 VEB Kinderbuchverlag)

An das Gewissen der Welt.

Briefwechsel zwischen zwei jungen Mädchen aus Bellrose (USA) und Nagasaki (Japan)

Ein Mädchen, 16 Jahre aus Bellrose bei New York schreibt an den Herausgeber der New York Times. Sie ist, man würde heute sagen, eine Friedensbewegte „…ich bin eines von den jungen Mädchen, die sehen, wie ihre Welt allmählich in den Abgrund des Todes zu sinken droht…“

Weiter schreibt sie, dass sie weiß es gibt kein Entrinnen weder vor der Bombe die gnädiger Weise den raschen Tod bringt noch vor dem Dahinsiechen welches unerbittlich den radioaktiven Strahlen folgt.

Daraufhin erhält sie Post aus Japan. Ein junges Mädchen welches Zeuge der Grauen der US amerikanischen Atombombe ist schreibt ihr. Wörtlich:

Liebe Freundin Ingber

Ich las Ihren offenen Brief im Krankenhaus Nagasaki. die Atombombe, die über unserer Stadt abgeworfen wurde, hat mir ein elendes Leben gebracht. Ich kann weder stehen noch einen Schritt gehen; in den Hüften und den Beinen habe ich keinerlei Gefühl mehr. Immer wieder erklären mir die Ärzte, daß ich sterben würde, und wie oft habe ich schon versucht, mir selbst das Leben zu nehmen. Als Zeuge und Opfer dieser Tragödie der Menschheit wurde ich 1955 Mitglied der damals gegründeten Friedensbewegung in Japan. Ich wünsche von ganzem Herzen und lebe in der Hoffnung, daß kein Mensch, wo immer er auch sein möge, je etwas so Grauenhaftes erleiden muß, wie ich es erlebt habe.

Wenn ich sehe, daß dort, wo die Bombe fiel, frisches Grün sprießt, erwacht in mir neuer Lebensmut, und ich habe den Wunsch, so kräftig zu werden wie dieses junge Gras. Heute weiß ich, daß ich weiterleben muß, wie schwer es auch ist. Ich versuche, das Vergangene, für das es kaum eine Erklärung noch eine Rechtfertigung gibt, zu vergessen. Ich will das Meine tun, daß der Frieden der Welt erhalten bleibt.

Ich habe mir vorgenommen, geduldig, doch unermüdlich an das Gewissen der Welt zu appellieren und das Verbot der nuklearen Waffen und totale Abrüstung zu fordern. Ich meine, es ist äußerst wichtig, daß wir uns an die Vernunft der führenden Männer der Großmächte wenden, nicht an ihr Gefühl, und sie zum Bann aller Atomwaffen verpflichten.

Liebe Freundin, warum haben Sie so wenig Hoffnung, warum glauben Sie nicht an das Leben? Ich denke, das liegt daran daß Sie nicht mit anderen Menschen in Gedankenaustausch stehen und deshalb die Aussichten für den Frieden von einem engen Gesichtskreis beurteilen. Der Frieden ist Sache aller Menschen, aller Völker. Jeder sollte mithelfen, ihn zu erhalten, um sich seiner mit allen Mitmenschen erfreuen zu können.

Liebe Freundin Ingber, bitte sagen Sie den Freunden in Amerika, die für den Frieden kämpfen, daß es mein heißester Wunsch ist, daß sich der Schrecken des Krieges nie widerholen möge. Ihre Freunde und unsere Freunde, alle Menschen guten Willens müssen der drohenden Gefahr ein Ende bereiten. Wie schwierig die Bedingungen auch sein mögen, wir müssen unerschütterlich unsere Entschlossenheit bewahren, bis endlich der alte Traum der Menschheit verwirklicht ist. Solange der Wunsch nach einem besseren Leben in uns brennt, läßt sich das glühende Verlangen nach Frieden nicht auslöschen. Mag der Weg dahin auch lang und beschwerlich sein, wir müssen und werden gemeinsam eine schöne und friedliche Zukunft erkämpfen.

 

In aufrichtiger Freundschaft

Ihre Chieko Oki

Atombombenkrankenhaus Nagasaki

 

(Aus dem Amerikanischen von G.F. Alexan)

Ob es sich in dem Buch um imaginäre Personen handelt sei dahingestellt. Ich weiß es nicht. Gehen wir davon aus, die Mädchen sind real und aus jener Zeit. Damals wie heute engagieren sich Menschen, allem voran die Jugend, für Frieden, Abrüstung und Völkerfreundschaft. Die Sorge der jungen amerikanischen Ingber gelten heute unverändert und in unverminderter Brisanz. Beeindruckend wie das dem Strahlentod nahe japanische Mädchen der Ingber Mut zuspricht.

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!

 

Rainer Hesse

Volkskorrespondent

Mitglied der DKP Ortsgruppe Dresden

 

Auch die Wochenzeitung „Unsere Zeit“ berichtete über die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki am 6. August und 9. August 1945: https://www.unsere-zeit.de/sehenden-auges-4805997/

In Dresden gab es außerdem an der Frauenkirche eine mehrtägige Mahnwache zum Thema